IVCO 2022: A New Dawn for Volunteering in Development - Eindrücke von Désirée Schad

Ein Bericht von Désirée Schad (Leiterin Freiwillige | Mitglied der Geschäftsleitung bei Coworkers), die für den AKLHÜ vor Ort war.

Die alljährliche und weltweit größte Konferenz von internationalen Fach- und Freiwilligendienstorganisationen (kurz IVCO) bringt Führungskräfte internationaler Freiwilligenorganisationen aus der ganzen Welt zu einem einzigartigen Dialog zusammen, der sich auf die Herausforderungen und Chancen konzentriert, mit denen sich die Freiwilligenarbeit derzeit konfrontiert sieht - sowohl die langjährigen als auch die neu entstehenden. Die IVCO bietet den Mitgliedern des Forums  – darunter auch der AKLHÜ -  die Möglichkeit, sich zu informieren, Ideen und innovative Praktiken auszutauschen, unterstützende Peer-Netzwerke aufzubauen und an der Gestaltung sektoraler Politik- und Advocacy-Initiativen mitzuwirken. Träger ist das International Forum for Volunteering in Development.

Die diesjährige IVCO fand vom 16.-19. Oktober 2022 in Senegal, Saly statt. Es war seit der Corona-Pandemie die erste IVCO, die wieder in Präsenz ausgetragen wurde.

Insgesamt nahmen ca. 130 Personen an der Konferenz teil. Es waren Organisationen aus allen Kontinenten vertreten (bis auf Lateinamerika). Hervorzuheben war eine rege Teilnahme von Organisationen des afrikanischen Kontinents, insbesondere aus Westafrika. Teilgenommen haben auch zwei Vertreter der African Union. Die Konferenz fand zum größten Teil zweisprachig statt (französisch und englisch).

Themen

Das Thema der IVCO 2022 lautete "A New Dawn for Volunteering for Development". Angesichts der Pandemiekrise untersuchte die Konferenz was heute für die Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele möglich ist, wie multidimensionale Modelle der freiwilligen Zusammenarbeit zu diesen Bemühungen beitragen können und wie das Fachwissen von Freiwilligen im globalen Süden im Mittelpunkt der Verwirklichung der Ziele stehen kann.

Dabei wurde der Schwerpunkt durchweg auf die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie gelegt und nach Antworten gesucht, was dies für die Zukunft des Freiwilligendienstes bedeutet. Inhaltlich sind folgende Punkte hervorzuheben:

Covid-19 als Katalysator: Immer wieder wurde genannt, dass die Covid-19-Pandemie als starker Katalysator für die Freiwilligenszene gewirkt habe, viele Herausforderungen offensichtlich wurden und neue Prozesse angestoßen werden konnten. Dennoch wurde auch deutlich, dass sich viele Organisationen noch in einer Erholungsphase befinden. Insgesamt solle die Pandemie aber als starke Chance begriffen werden.

Innovativ bleiben: Weiterhin wurde ausgeführt, dass es zentral sei, dass Organisationen innovativ bleiben und sich an die neuen Gegebenheiten nach der Pandemie anpassen. Dazu ist es wichtig zu hinterfragen:  Warum machen wir, was wir tun? Was tun wir eigentlich? Und ist das tatsächlich der beste Weg? Es brauche ein beständiges Hinterfragen, Anpassen und Verbessern (do – learn – do), sonst werde der Sektor irrelevant. Unsere Devise solle sein: Be comfortable with being uncomfortable.

National Volunteering: Mehrere Redner und Rednerinnern haben angesprochen, dass durch die Pandemie die nationale Freiwilligenarbeit gestärkt wurde. Viele der internationalen Organisationen haben ihre Freiwilligen plötzlich abgezogen.  Häufig gab es keinen guten Übergang und die Arbeit vor Ort konnte erst einmal nicht weitergehen. Stück für Stück wurde aber die südliche Partnerperspektive mehr wahrgenommen und inzwischen mehr geschätzt als dies vor der Pandemie der Fall war.

Reciprocity: Die Themen Ungleichheit zwischen Nord und Süd sowie Dekolonialisierung haben zwar keinen explizit großen Raum eingenommen, waren aber im Subtext immer wieder wahrzunehmen. Benjamin Lough (Prof. für Social Work and Business Administration, Illinois - USA) hat dazu einige interessante Ansätze geliefert, die im weiteren Verlauf der Konferenz immer wieder aufgegriffen wurden. Insbesondere hat er das Stichwort Reciprocity erläutert.  Man müsse von einer Beziehung zwischen Geber und Empfänger wegkommen, hin zu einem multidirektionalen Partnerverständnis. Es muss mehr mit einem gegenseitigen Ansatz gearbeitet werden und über die Frage nachgedacht werden, wie wir zu gemeinsamen Entscheidungsfindungen kommen. 

Blended approach: Ähnlich wie das Stichwort der Reziprozität wurde immer wieder auf einen blended approach hingewiesen, womit ein gemeinsamer Weg zwischen den internationalen Partnern gemeint ist. Es brauche gemeinsame Partnerschaften und die Wertschätzung der unterschiedlichen Formen von Freiwilligendiensten. Es brauche den Nord-Süd-Austausch, den Süd-Süd-Austausch und auch den Süd-Nord Austausch. Freiwillige müssten in Paaren eingesetzt werden, z.B. gemeinsame Expert*innen, um miteinander zu arbeiten und gemeinsam voneinander zu profitieren.

Digitalisierung: Durch die Pandemie wurden die Möglichkeiten von digitalen bzw. hybriden Freiwilligendiensten entdeckt. Diese wurde insgesamt aber recht kontrovers diskutiert. Manche Organisationen haben die Vorteile von digitalen Freiwilligeneinsätzen unterstrichen, weil kostensparend und auch für eine kürzere Zeit möglich. Es war ihnen so möglich, die Pandemie gut zu überbrücken und insbesondere die Rückkehrer*innen können so stärker eingebunden werden. Andere Organisationen berichten von einem hybriden Modell. So können Fachkräfte einfacher ihre Fachkenntnisse den Partnerorganisationen zur Verfügung stellen. Allerdings schien den afrikanischen, nationalen Organisationen ein digitaler Freiwilligendienst nicht sehr sinnvoll. Internet ist sehr teuer und dadurch würden viele Regionen und Akteure von der Zusammenarbeit ausgeschlossen. Außerdem beruhe Freiwilligenarbeit im Kern auf dem reellen Austausch und die persönliche Begegnung vor Ort, die den unmittelbaren Kontext und das individuelle gegenseitige Erleben innerhalb einer gelebten Kultur mit einschließe und dies nur sehr begrenzt über digitale Kanäle möglich sei.

Global Standard for Volunteering for Development: Schon vor einigen Jahren wurde der Global Standard vom Forum entwickelt und nun vorgestellt. Er ist eine Hilfestellung für Organisationen, um ihre Prozesse gut reflektieren zu können und so ihre Arbeit kontinuierlich zu verbessern und verantwortlich zu handeln. Ziel des Standards ist auch eine bessere Wirkungsmessung von Projekten. Der Standard kann nun im Internet heruntergeladen werden. Sie stellen das Pendant zu den deutschen Qualitätsstandards (kurz Quifd) dar, die für alle Freiwilligendienstformate – nationale oder internationale, staatlich geförderte oder privatrechtliche – gelten. Auf den Qualitätszielen bauen die Qualitätsstandards und -indikatoren auf, die die Qualität in Freiwilligendiensten messbar machen.

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