Antiterrormaßnahmen schaden der Zivilgesellschaft

Neue Studie von Brot für die Welt

Auf der ganzen Welt wird zivilgesellschaftliches Engagement von rechtlichen und operativen Einschränkungen bedroht. Diese haben unter anderem in der Terrorismusbekämpfung ihren Ursprung. Eine Studie von Brot für die Welt zeigt, wie Nichtregierungsorganisationen (NRO) dadurch weltweit unter Druck geraten.

Auch wenn deutsche Organisationen (noch) nicht betroffen sind, gibt es weltweit immer mehr Beispiele von Banken, die NROs ihre Dienstleistungen verweigern und Konten von zivilgesellschaftlichen Organisationen einfrieren oder auflösen. Fälle von repressiven NRO-Gesetzen stehen in direktem Zusammenhang mit der Financial Action Task Force (Arbeitsgruppe für finanzielle Maßnahmen, FATF) und ihren internationalen Antiterrorismusmaßnahmen. Das zeigt die Brot für die Welt-Studie „The impact of international counter-terrorism on civil society organisations“, die das Problem untersucht und konkrete Handlungsempfehlungen gibt.

Die wenig bekannte  FATF ist eine internationale Staatengruppe, die 1989 gegründet wurde, um Geldwäsche zu bekämpfen. Seit 2001 gehört auch die Arbeit gegen Terrorismusfinanzierung zu ihrem Mandat. Die Arbeitsgruppe hat 40 Empfehlungen erarbeitet, die für 180 Länder gelten. Ihre Standards sind unklar und bilden Raum für Missverständnisse, aber vor allem für Missbrauch. Die Empfehlungen der Staatengruppe heben den gemeinnützigen Sektor als besonders anfällig für Terrorismus hervor, obwohl Fälle von Terrorismusfinanzierung von gemeinnützigen Organisationen extrem selten sind, vor allem wenn man diese Zahl mit der Größe des gemeinnützigen Sektors vergleicht.

In den letzten Jahren haben Evaluierungen der FATF in zahlreichen Ländern dazu geführt, dass Regulierungen und Gesetze, inklusive Sanktionen und schwarze Listen (Blacklisting), die die Zivilgesellschaft einschränken, entweder bewusst empfohlen oder durch die Evaluierungen legitimiert wurden. Die Studie führt als Beispiele dafür Gesetze, die die Handlungsspielräume von zivilgesellschaftlichen Initiativen einschränken in Indien, Uganda, Bangladesch, Bosnien, Brasilien, Kambodscha und in der Türkei auf. Diese Einschränkungen haben nicht nur direkte negative Folgen für Hilfsorganisationen, Menschenrechtsverteidiger, soziale Bewegungen und NROs, sondern auch für Menschen in Not.

Besonders Notleidende in Krisen- und Konfliktgebieten sind indirekt von Antiterrorismusmaßnahmen betroffen: Erst Ende April 2017 berichtete der Guardian, wie die Antiterrorismusgesetzgebung der USA und Großbritanniens amerikanische und britische Hilfsorganisationen behindern. Denn nationale Gesetze folgen immer mehr den Prinzipien der internationalen Regulierer der FATF. Das bedeutet zum Beispiel, dass bei den Menschen, die in Regionen Somalias unter der Herrschaft von bewaffneten islamistischen Extremistengruppen wie al-Shabaab und unter der Dürre leiden, die dringend notwendige lebensrettende Unterstützung von Hilfsorganisationen nicht ankommen kann. Für Hilfsorganisationen, die in solchen schwierigen Gegenden arbeiten, ist es unmöglich zu garantieren, dass prinzipiell kein noch so kleiner Anteil der Hilfe die Extremisten erreichen kann. Ein ExpertenInnenbericht, der die Faktoren und Folgen der letzten großen Hungersnot in al-Shabaab kontrollierten Regionen 2011 untersuchte, benennt die Beschränkung durch Antiterrorismusgesetze als einen der wichtigsten Faktoren, warum der Tod von 250.000 Menschen damals nicht verhindert werden konnte.

Nach einer ausführlichen Analyse der Zusammenhänge zwischen Antiterrorismusmaßnahmen und Einschränkungen der Zivilgesellschaft kommt die neue Veröffentlichung zu folgenden Schlussfolgerungen: 

  • Ohne eine fundamentale Reform der Empfehlungen zum gemeinnützigen Sektor der FATF, ist es sehr wahrscheinlich, dass der wachsende Trend repressiver NRO-Gesetzgebungen sich weiter fortsetzt. 
  • Die FATF untergräbt internationales Recht durch die Förderung von Gesetzen, die den  menschenrechtlichen Pflichten der Staaten widersprechen, sogar wenn sich Mandatsträger der Vereinten Nationen gegen diese aussprechen. 

Weitere Informationen:

Christine Meissler, Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst
christine.meissler(at)brot-fuer-die-welt.de

Ben Hayes, Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst
ben.hayes(at)brot-fuer-die-welt.de

Quelle: FriEnt-Impulse

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