Die Rückholaktion von Freiwilligen im weltwärts-Programm: ein logistischer Kraftakt - Eindrücke von Ansprechstelle Mechtild Everinghoff-Libarona aus Argentinien

Angesichts der sich stetig verschärfenden Situation um die weltweite Ausbreitung des neuartigen Coronavirus hat das BMZ in Rücksprache mit dem Auswärtigen Amt am 16.03.2020 die dringende Empfehlung zur Rückreise aller weltwärts-Freiwilligen nach Deutschland ausgesprochen. In Argenti-nien bedeutete das konkret, dass 137 Freiwillige, die in verschiedenen Provinzen des Landes verteilt ihren Dienst absolviert haben, zurückgeholt werden mussten. Eine Rolle dabei spielte Mechtild Everinghoff-Libarona, die sich als langjährige Ansprechstelle für Visa/Sicherheit in Argentinien unter anderem um die halbjährig notwendige Verlängerung der Visa für weltwärts-Freiwillige kümmert und vom AKLHÜ e.V. betreut wird. Mechtild Everinghoff-Libarona steht daher auch mit Freiwilligen, Entsende- und Aufnahmeorganisationen in Kontakt. Ihre Eindrücke während der Rückholung sollen an dieser Stelle geteilt werden.

 

[…] Seit dem 13.03.2020 bestand in Argentinien die Aufforderung an alle, sich möglichst selbst zu beschränken und nicht das Haus zu verlassen. Zum 20.03.2020 wurde dann per Notstandsdekret eine sehr strenge bindende Ausgangssperre beschlossen. Zeitgleich wurden alle Inlandsflüge und Langstreckenbusfahrten gestrichen. 

Nachdem die Entsendeorganisationen aufgefordert worden waren, ihre Freiwilligen möglichst zeitnah nach Deutschland zurück zu holen, haben sich viele Entsende- und Partnerorganisationen bei mir gemeldet. Die Verunsicherung und Sorge um die Freiwilligen war bei den Entsendeorganisationen groß. Der Aufruf ist bei den Partnerorganisationen, mit denen ich Kontakt hatte, zuerst auf sehr viel Unverständnis gestoßen, insbesondere in Anbetracht der hohen Infektionszahlen in Deutschland. Bei vielen Freiwilligen hat der Rückholaufruf zu großer Verunsicherung und Verzweiflung geführt.

Es gab häufig Schwierigkeiten, konkrete Informationen von der Deutschen Botschaft zu bekommen. Ich habe diesbezügliche Fragen übersetzt, beantwortet oder an die Deutsche Botschaft weitergeleitet. Natürlich waren auch die Freiwilligen stark verunsichert und haben mich häufig angerufen. Viele von ihnen hatten ja ihren Pass noch nicht zurück[1]. Manche wollten auf jeden Fall ihren Freiwilligendienst hier fortsetzen, andere hatten Besuch aus Deutschland und wussten nicht, wie sie mit ihren Besuchern die Quarantänebestimmungen einhalten sollten.

Die Aufregung und Sorge der Entsende- und Partnerorganisationen und der Freiwilligen war in dieser Phase sehr groß und ich wurde häufig fast rund um die Uhr konsultiert. 

Schwierig gestaltete sich die Situation der Freiwilligen, die sich noch in entfernten Provinzen aufhielten. Zu dem Zeitpunkt gab es bereits weder reguläre Fernbusverbindungen noch Inlandsflüge. Das hat die Rückführung der Freiwilligen nach Buenos Aires sehr erschwert. Ich wurde gebeten, mich mit den Konsulaten in den Provinzen in Verbindung zu setzen, damit sie Wege finden, den Freiwilligen die Fahrt nach Buenos Aires und zum Flughafen zu ermöglichen. Nicht alle Konsulate haben auf meine Anfrage geantwortet. 

Ein Problem für alle Beteiligten war meines Erachtens, die Aufforderung an alle Entsendeorganisationen, die Freiwilligen möglichst zeitnah nach Deutschland zurück zu holen, auch mit kommerziellen Flügen. Die kommerziellen Flüge, die daraufhin gebucht wurden, sind teilweise kurzfristig wieder storniert und neu gebucht worden. Für die Entsendeorganisationen war es schwierig bis unmöglich immer wieder neue Rückflüge zu buchen, insbesondere, wenn sich ihre Freiwilligen in den Provinzen aufhielten. Viele Freiwillige haben Wochen auf gepackten Koffern gesessen und immer wieder neue aktualisierte Begleitpapiere ausgedruckt, und nach Möglichkeiten gesucht, zum Flughafen zu kommen. Als dann die Freiwilligen auch bei der offiziellen Rückholaktion berücksichtigt wurden, haben es viele von ihnen nicht rechtzeitig zum Abflug nach Buenos Aires geschafft. 

Es gab auch Freiwillige, die auf dem Weg zum Flughafen aufgehalten und an der Weiterfahrt gehindert werden sollten, da die nicht handschriftlich unterzeichneten Begleitpapiere der Deutschen Botschaft nicht anerkannt wurden. Durch die zügige Intervention der Deutschen Botschaft konnte verhindert werden, dass die Autos beschlagnahmt wurden und die Freiwilligen doch noch rechtzeitig am Flughafen ankamen. 

Freiwillige aus Cordoba sollten auf Grund einer Anzeige von Nachbarn des gebuchten Hotels für 14 Tage in Quarantäne und es wurde ihnen eine Verhaftung angedroht, falls sie am nächsten Tag zum Flughafen fahren würden. Zu dem Zeitpunkt lief meine Kommunikation mit Engagement Global, dem BMZ und der Deutschen Botschaft sehr gut und das schnelle Agieren aller Beteiligten hat dazu geführt, dass die 12 Freiwilligen aus Cordoba konsularischen Begleitschutz zum Flughafen erhalten haben. 

Eine kleine Geschichte zur Solidarität und zum Einfallsreichtum der Partnerorganisationen: Zwei Freiwillige wurden mit einem Krankenwagen in die 300 km entfernte Provinzhauptstadt gebracht, um von dort mit einem Taxi zum fast 1000 km entfernten Flughafen weiterzufahren, nur so war es ihnen möglich den Rückholflug wahrzunehmen. 

Die letzte weltwärts-Freiwillige ist mit dem fünften und letzten Flug der Rückholaktion am 17.04.2020 nach Deutschland zurückgeflogen.

Im Nachhinein würde ich sagen, dass es die richtige Entscheidung war, alle Freiwilligen zurück zu beordern, allerdings wäre es meines Erachtens wünschenswert gewesen, darauf hinzuweisen, dass die Freiwilligen im Rahmen der offiziellen Rückholaktion ausreisen sollen und es wäre gut gewesen, direkt darauf hinzuweisen, dass aufgrund der nachvollziehbaren Prioritäten die Freiwilligen erst bei späteren Rückflügen berücksichtigt werden können. Den Freiwilligen und den Partnerorganisationen wäre es so möglich gewesen, sich zeitlich auf die Rückreise einzustellen und sich nicht alle 2-3 Tage auf neue Flugdaten und die damit verbundene Organisation des Transportes zum Flughafen einstellen zu müssen.


[1] Freiwillige in Argentinien sind über das sog. Höflichkeitsvisum im Land, das für ein halbes Jahr ausgestellt und durch das Einsenden des Passes um ein weiteres halbes Jahr verlängert werden muss. Mechtild Everinghoff-Libarona koordiniert die Verlängerung mit der deutschen Botschaft in Buenos Aires.

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