Fest an der Seite der Partner: Ziviler Friedensdienst in Corona-Zeiten muss weitergehen

Die Corona-Pandemie trifft die Gesellschaften fragiler Staaten besonders hart. Die oft prekäre Gesundheitsversorgung steht vor dem Kollaps. Schwierige Lebensbedingungen und Armut begünstigen die Ausbreitung des Corona-Virus und führen zu einer drastischen Zunahme sozialer Spannungen und häuslicher Gewalt. Konflikte werden durch Versorgungsengpässe, Einkommensverluste, Unsicherheit und Ängste verschärft. Manch autoritäres Regime missbraucht die präventiven Maßnahmen gegen das Virus, um die Menschenrechte und die Spielräume der Zivilgesellschaft weiter einzuschränken. All das bildet einen gefährlichen Nährboden für Gewalt. Gerade jetzt ist es also wichtig, die Friedensarbeit fortzuführen und lokalen Partnern zur Seite zu stehen - um aufkommende Konflikte zu entschärfen, sozialen Unruhen vorzubeugen und Menschenrechte zu schützen.

Lokale zivilgesellschaftliche Partnerorganisationen leis­ten einen entscheidenden Beitrag dazu, die schwerwiegenden politischen, sozialen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Folgen der Corona-Pandemie abzufedern. Vor Ort stehen sie besonders verletzlichen Gruppen auch unter eingeschränkten Kontaktmöglichkeiten zur Seite und setzen sich für ihre Rechte ein. Vielerorts füllen sie staatliche Versorgungslücken, etwa bei gesundheitlicher Aufklärung und psychosozialer Beratung. Auch das Engagement der Fachkräfte im Zivilen Friedensdienst geht weiter. Sie unterstützen ihre Partnerorganisationen dabei, die Friedensarbeit anzupassen und aufrecht zu erhalten. Die meisten Partner und ZFD-Fachkräfte setzen zurzeit auf mobile und virtuelle Kommunikationswege. Die folgenden Beispiele aus der Arbeit des Zivilen Friedensdienstes in Timor-Leste, Uganda und Bolivien zeigen, wie die Friedensarbeit in Corona-Zeiten fortgeführt wird - und machen deutlich, warum sie unerlässlich ist.

In Timor-Leste informiert die Organisation Ba Futuru die Bevölkerung über COVID-19-Gefahren und -Schutzmaßnahmen. „Wir arbeiten sonst viel im direkten Kontakt mit unseren Zielgruppen und sind dafür im ganzen Land unterwegs“, sagt ZFD-Fachkraft André de la Chaux, „Solche Veranstaltungen sind aber derzeit nicht erlaubt. Deshalb sind wir auf virtuelle Möglichkeiten umgestiegen.“ André de la Chaux unterstützt die Organisation, die landesweit in der Konfliktbearbeitung tätig ist, seit 2019. Trotz der Ungewissheit, die mit der COVID-19-Pandemie einhergeht, ist er im Land geblieben. Als Medienpädagoge bringt er für die Umstellung auf digitale Inhalte das nötige Handwerkszeug mit. „Für meine direkten Kolleginnen und Kollegen erstelle ich kleine Tutorial-Videos, die erläutern, wie sie diverse Programme und Apps im Homeoffice einsetzen können. Auch eine kleine E-Learning-Einheit zum Thema Fake und Hoax News ist in Planung. Als studierter Medienpädagoge bin ich auf das Erstellen von Medienbildungsangeboten spezialisiert – und kann so meine Partnerorganisation gut unterstützen.“ Um weiterhin den Kontakt zu den Zielgruppen zu halten und sie für die Pandemie zu sensibilisieren, hat Ba Futuru in kürzester Zeit eine ganze Reihe von digitalen Inhalten produziert. Es wurde sogar eine Mitmachaktion in dem Online-Netzwerk TikTok gestartet.

Jede Krise birgt die Gefahr, Konflikte zu verschärfen. Daher ist es besonders jetzt wichtig, den Zusammenhalt in der Bevölkerung zu stärken, um Unruhen vorzubeugen. In Uganda haben sich auf Initiative des ZFD Musikschaffende aus den historisch zerstrittenen Regionen Teso und Karamoja zusammengefunden. Konflikte um Land und Boden bestimmen dort den Alltag und münden häufig in Gewalt. Angesichts des ohnehin bestehenden Konfliktpotenzials und eines schwachen Gesundheitssystems könnte eine Verbreitung von COVID-19 verheerende Folgen haben. Daher entwickelten ZFD-Fachkräfte und ihre lokalen Partner Radiospots, die für COVID-19 und sein konfliktverschärfendes Potenzial sensibilisieren. Dann kam die Idee zu einem überregionalen Musikprojekt. Tatsächlich ließen sich zehn junge Musikerinnen und Musiker aus beiden Regionen für das Projekt begeistern. Die Botschaft ihres gemeinsamen Songs: „Das Virus kennt keine Rasse, kein Geschlecht und kein Alter. Im Angesicht von Corona sind wir alle gleich – lasst uns diese Pandemie also gemeinsam bekämpfen!“ Das Lied macht auf die Präventionsmaßnahmen aufmerksam und warnt vor Stigmatisierung und Falschinformation. Neben COVID-19 kommt auch die illegale Aneignung von Land zur Sprache, eine wesentliche Konfliktursache vor Ort. Der „Corona Virus Awareness Raising Song wird von Radiosendern in beiden Regionen ausgestrahlt. Auch internationale Hilfsorganisationen und das ugandische Gesundheitsministerium spielen das Lied beim Verteilen von Lebensmitteln in der Region.

Das Ausmaß häuslicher Gewalt ist während der Corona-Pandemie vielerorts explodiert, so auch in Bolivien. Hier dürfen die Menschen derzeit nur ein Mal pro Woche das Haus für einen kurzen Einkauf verlassen. Besonders Frauen und Kinder sind ihren Peinigern unter diesen Bedingungen oft schutzlos ausgeliefert. Das Centro Juana Azurduy (CJA) steht ihnen trotz aller Einschränkungen bei und wird vom ZFD auch in Corona-Zeiten tatkräftig unterstützt. Das CJA-Team aus Juristinnen und Psychologinnen hat Notrufnummern eingerichtet, um von Gewalt Betroffene psychosozial beraten und die Straftaten zur Anzeige bringen zu können. Um das Schweigen über die Gewalt zu brechen, klärt CJA darüber hinaus über die sozialen Medien und einen eigenen Radiosender auf. Die Serie „tóxica“ gibt jungen Paaren beispielsweise Tipps für den Aufbau gewaltfreier Beziehungen. „Das Machismo-Virus tötet auch“ ist ein aktueller Slogan, der die Menschen angesichts der extremen geschlechtsspezifischen Gewalt wachrütteln soll. Zusammen mit anderen bolivianischen Nichtregierungsorganisationen fordert CJA die Regierung regelmäßig auf, Frauen, Jugendliche und Kinder während der Ausgangssperre besser vor Gewalt zu schützen.

Mehr Details und weitere Beispiele aus der Friedensarbeit in Zeiten von COVID-19 finden Sie im Corona-Portal des Zivilen Friedensdienstes unter: www.ziviler-friedensdienst.org/corona-pandemie

Martina Rieken (Koordinatorin Öffentlichkeitsarbeit – Konsortium Ziviler Frieden)

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