Incoming-Freiwillige und ihre sozialen Beziehungen

Katharina Mangold & Agnetha Bartels, Saskia Ebser, Inka Janssen, Florian Rück, Parisa Serajdin von der Stiftung Universität Hildesheim stellen erste Ergebnisse ihres Forschungsprojektes vor.

Das Forschungsprojekt „Incoming-Freiwillige und ihre sozialen Beziehungen“ fand im Rahmen des Projekts FSJ INGLOS (INcoming aus dem GLObalen Süden) statt, welches ein Gemeinschaftsprojekt des AKLHÜ e.V. und dreier teilnehmender Trägerorganisationen ist und vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) finanziert wird. Das Forschungsprojekt wurde vom Institut für Sozial- und Organisationspädagogik der Stiftung Universität Hildesheim durchgeführt. 2021-2022 wurden 10 Incoming-Freiwillige (ehemalige und aktuelle) interviewt und 479 Incoming-Freiwillige beteiligten sich an einem Online-Fragebogen. Nähere Informationen zum Projekt finden Sie hier.

Ziel des Forschungsprojektes war es, Erkenntnisse über die sozialen Beziehungen während des Incoming-Freiwilligendienstes zu erhalten und damit verbunden Wissen zu der Frage der sozialen Integration der Incoming-Freiwilligen während ihres Freiwilligendienstes in Deutschland zu erlangen.

Im Folgenden geben wir zusammenfassend erste Einblicke in die Ergebnisse unserer Online-Befragung. Einen ausführlichen Einblick veröffentlichen wir als online verfügbares Datenhandbuch im Universitätsverlag Hildesheim.

Zielgruppe: Wer wird vom Angebot Incoming-Freiwilligendienst erreicht, was motiviert junge Menschen einen Freiwilligendienst in Deutschland zu machen, wo arbeiten und wo wohnen die Incoming-Freiwilligen?
Zunächst kann festgehalten werden, dass es sich bei der befragten Gruppe von Incoming-Freiwilligen häufig um gut gebildete junge Menschen (mehrheitlich Frauen) aus urbanen Räumen handelt, die vor dem Freiwilligendienst noch nicht (oft) transnational mobil waren, jedoch teilweise schon Bezüge (Kontakte, selbst schon mal vor Ort gewesen) zu Deutschland hatten. Der Großteil der Befragten ist während des Freiwilligendienstes zwischen 22 und 27 Jahre alt und hat bereits ein Studium absolviert (41,8 % BA-Abschluss; 12,3 % MA-Abschluss).

Die meisten der Befragten geben als Hauptgrund, einen Incoming-Freiwilligendienst in Deutschland zu machen, den Wunsch nach interkulturellen Erfahrungen (98,0 %), die Verbesserung von Sprachkenntnissen (96,7 %) und das Kennenlernen neuer Menschen (95,5 %) an. Ein Teil der Befragten gibt darüber hinaus als Motivationsgründe die fehlende Möglichkeit eines Freiwilligendienstes in ihrem Herkunftsland oder die Möglichkeit, längerfristig in Deutschland sein zu können an.

Werden die Angaben der Arbeitsbereiche Einrichtung für Personen mit Behinderung (43 %) und Senior:innenheim (10,8 %) zusammengeführt, wird deutlich, dass über die Hälfte der Personen ihren Freiwilligendienst in der Pflege absolvieren. 14,3 % der Befragten arbeiten in Kindertagesstätten. Die allermeisten Incoming-Freiwilligen haben eine volle Arbeitswoche, oder arbeiten gelegentlich bis häufiger am Wochenende. Die mangelnde Zeit erschwert daher das Eingehen von neuen Kontakten bzw. das Kennenlernen von neuen Menschen.

14,4 % der Incoming-Freiwilligen wohnen auf dem Gelände der Einrichtung oder direkt in der Einrichtung. Incoming-Freiwillige, die anderweitig wohnen, leben in einer Freiwilligen-Wohngemeinschaft (40,3 %), in Gastfamilien (17,1 %), in Wohngemeinschaften ohne andere Freiwillige (9,4 %), in Studierendenwohnheimen (4,5 %) oder alleine (7,1 %). 

Soziale Kontakte: Mit wem sind Incoming-Freiwillige vernetzt?
Hier wird auf den ersten Blick deutlich, dass die Herkunftsfamilie von den befragten Incoming-Freiwilligen mit 61,2% als wichtigster Kontakt eingeschätzt wird, gefolgt von anderen Incoming-Freiwilligen (55,6%) und Kolleg:innen in der Einsatzstelle (46,9%). Das Beziehungsnetzwerk der Incoming-Freiwilligen ist als transnationales Netzwerk zu verstehen und viel Unterstützung erhalten die Incoming-Freiwilligen von Freund:innen und Familie aus dem Herkunftsland. Kontakte zu Menschen aus Deutschland zu knüpfen, wird als Herausforderung wahrgenommen, jedoch scheinen die Incoming-Freiwilligen sich damit zu arrangieren. Wichtig ist dabei, dass die transnationalen Kontakte nicht als Konkurrenz zu Beziehungen in Deutschland zu verstehen sind, sondern zur Lebensrealität der Incoming-Freiwilligen selbstverständlich dazugehören.

Freizeit: Was machen Incoming-Freiwillige in ihrer Freizeit?
Die Hauptbeschäftigung der befragten Incoming-Freiwilligen ist Videotelefonie mit Verwandten (65,7 %) oder mit Freund:innen (53,9 %). 41,3 % der Befragten besucht in der Freizeit Cafés und Restaurants und 27,5 % Bars und Clubs. 16,2 % der Befragten sind in einem Verein aktiv und weitere 12,4 % in einer religiösen Gemeinschaft. Häufig werden Freizeitaktivitäten benannt, die per se auch allein gemacht werden könnten: die Gegend erkunden (64,6 %); lesen, etwas Kreatives tun (49,1 %), die neue Sprache lernen (40,2 %), allein sportliche Aktivitäten machen (36,2 %). 15,1 % der Incoming-Freiwilligen haben niemanden mit dem sie ihre Freizeit verbringen können.

Unterstützung: Wie nehmen Incoming-Freiwillige ihr soziales Unterstützungsnetz wahr?
Generell lässt sich feststellen, dass die meisten Incoming-Freiwilligen Unterstützung auf emotionaler, sozialer und auch konkreter/materieller Ebene erleben. Doch auch 15-30 % (je nach Dimension) geben an, sich in bestimmten Momenten nicht oder wenig unterstützt zu fühlen. Sie haben beispielsweise niemanden, der sich um sie kümmert, wenn sie krank sind oder bei dem sie sich Werkzeug ausleihen könnten, wenn sie etwas reparieren müssten, aber auch keine Person, die sie bei Sorgen um Rat fragen könnten. Auf diese Nicht-bzw. Wenig-Unterstützten gilt es ein besonderes Augenmerk zu legen. Je persönlicher der Unterstützungsbedarf, desto herausfordernder ist er. Ein Großteil der Befragten findet beispielsweise Hilfe bei bürokratischen Aufgaben oder hat Menschen, mit denen er die Freizeit verbringen kann.

Und jetzt?
Diese sehr knappe Zusammenfassung der quantitativen Daten will keine Handlungsanweisung liefern, sondern dient lediglich dazu erste Einblicke zu gewähren. Für das Feld der Incoming- Freiwilligendienste bedeutet dies, sie sind gefordert, sich gemeinsam auf Grundlage dieser Forschungsergebnisse mit den Herausforderungen sowie der Unterstützung von Incoming-Freiwilligen im Hinblick auf transnationale Beziehungsnetzwerke und die Frage der sozialen Integration auseinanderzusetzen und Antworten aber auch neue Fragen zu finden.

Zurück