Leben und Wirken von ZFD-Fachkräften und Partnerorganisationen in der Ukraine

Der völkerrechtswidrige russische Angriff vom 24.2.2022 trifft Millionen von Menschen, die allermeisten aus der Ukraine existentiell. Ihnen gilt die Solidarität und Unterstützung des forumZFD. Für die internationale Friedensorganisation mit Mitarbeitenden aus und in der Ukraine, in Deutschland und 10 weiteren Ländern wirkt er sich auch auf Kolleg*innen und Partner*innen aus. Dieser Artikel will diese Auswirkungen nachzeichnen und für das Netzwerk für internationale personelle Zusammenarbeit AKLHÜ zur Verfügung stellen.

Ein Beitrag von Oliver Knabe, Vorstandsvorsitzender des forumZFD

Das forumZFD ist seit 2015 in der Ukraine tätig, zuletzt mit Büros in Odessa und Kiew. Zu unserem Ukraine-Team gehören sieben Mitarbeitende, darunter vier mit ukrainischer Staatsangehörigkeit und drei mit anderen europäischen Staatsangehörigkeiten.

Der russische Angriff traf unser Team nicht unvorbereitet. Die ausländischen Mitarbeitenden mit einem Entwicklungsdienst-Vertrag nach EfhG waren bereits vorher freiwillig ausgereist und wir hatten unsere Büros in Odessa und Kiew vorübergehend geschlossen. Unser Team hatte auf mobiles Arbeiten umgestellt. Unsere ukrainischen Kolleg*innen hatten im Rahmen unserer Sicherheitsplanungen bereits im Vorjahr festgelegt, welche Orte sie im Falle einer entsprechenden Bedrohungslage in Kiew beziehungsweise Odessa zu ihrem vorübergehenden Lebensmittelpunkt würden machen können. Was 2021 für manche noch wie übertriebene Vorsorge aussah, entpuppte sich im Februar als dringend notwendige Sicherheitsmaßnahme. Die gesamte Ukraine fand sich binnen weniger Stunden in einer extrem gefährlichen Sicherheitslage.

Als unverzichtbar erwies sich unser Krisenmanagementteam aus Mitarbeitenden unserer Kölner Geschäftsstelle. Das Team, das mindestens zweimal im Jahr den Ernstfall probt, traf sich unter Leitung des Vorstands Programme und Qualifizierung angesichts der sich verschärfenden Lage bereits zwei Tage vor Beginn des Krieges, um seine Einsatzfähigkeit zu prüfen. Nach den ersten Berichten über nächtliche Angriffe trat es am 24.2 zusammen und begleitete die sich in den nächsten Wochen entwickelnde Lage. Die Sicherheit aller Mitarbeitenden hatte und hat bis heute die höchste Priorität. Das Team vor Ort kümmerte sich mit Unterstützung der Kölner Kolleg*innen aber auch um die Sicherung wichtiger Unterlagen und den Schutz der Assets, soweit das angesichts der Sicherheitslage angemessen war.

Unterstützt wurde das Krisenmanagementteam von einer externen Sicherheitsberaterin, die dem verantwortlichen Vorstand und dem gesamten Team eine wertvolle Beraterin war. Sie half den Fokus auf die wichtigen Dinge zu halten und mögliche Schwachstellen zu erkennen. Allen Mitarbeitenden aus der Ukraine und dem Krisenmanagementteam wurde zudem psychologische Unterstützung angeboten.

Die Auswirkungen des Krieges für unser Personal gingen aber über die direkt betroffenen Kolleg*innen hinaus. Nachdem die unmittelbare Sicherheit unserer Mitarbeitenden soweit als möglich gewährleistet war, nahmen wir Kontakt zu unseren Partnerorganisationen auf, um ihnen unsere Solidarität zuzusichern und Hilfe anzubieten. Auch ihnen wurde und wird weiterhin psychosoziale Unterstützung angeboten. Welche beeindruckenden Initiativen unsere langjährigen Partnerorganisationen auf die Beine stellten, bei denen wir sie begleiten und unterstützen, berichten wir auf unserer Website [https://www.forumzfd.de/de/die-ukrainische-zivilgesellschaft-lebt].

Aber auch hier endeten die Auswirkungen des Krieges auf unsere Mitarbeitenden nicht. Die große Sorge um die Kolleg*innen war in der gesamten Organisation spürbar und präsent. Gleichzeitig stellte der Krieg die Organisation auf verschiedenen Ebenen wie z.B. der Kommunikation mit Spender*innen und der friedenspolitischen Einordnung vor neue Herausforderungen, von denen hier aber weiter nicht die Rede sein soll. Die psychische Belastung der Mitarbeitenden außerhalb der direkt betroffenen Teams versuchten wir, mit dem Angebot eines von einer Psychologin moderierten, internationalen Gruppengesprächs, ohne Anwesenheit der direkt vor Ort Betroffenen, aufzugreifen. Das Online-Event machte sichtbar, wie der Krieg bei Kolleg*innen etwa in Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo Erinnerungen an eigene Kriegs- und Fluchterfahrungen wachrief. Dies war umso schwerwiegender, als die politische Situation in diesem Teil Europas als fern von friedlich und gesichert gelten muss. Unser Kosovo-Team organisierte deshalb einen Retreat, um die Auswirkungen für sich, aber auch für unsere Partner und die Gesellschaft in Ruhe zu besprechen.

Fast drei Monate nach Kriegsbeginn stellten die Mitarbeitenden unseres Ukraine-Teams dann, von ihren jeweiligen mobilen Arbeitsplätzen aus, die Lage erstmals den übrigen Kolleg*innen vor. In einer Online-Sitzung schilderten unsere Kolleg*innen vor Ort ihr persönliches Ergehen und alle gemeinsam, wie sie zusammen mit den Partner*innen Projekte auf die aktuellen Bedarfe anpassten, gänzlich veränderten oder neu aufsetzten. Erneut zeigte sich der virtuelle Austausch als wertvoller Begegnungs- und Ermutigungsraum. Eine philippinische Kollegin zeigte sich beeindruckt von der Energie des Ukraine-Teams und der Partner*innen und zugleich ermutigt, angesichts der Auswirkungen der Wahlen auf den Philippinnen ebenso unbeeindruckt weiter zu arbeiten. Eine jordanische Kollegin äußerte ihr Mitgefühl, indem sie berichtete, wie sie die geteilten Erfahrungen an die eigene Familiengeschichte erinnerte.

Trotz der Dramatik der Situation sind wir im forumZFD dankbar für die Möglichkeit, gemeinsam mit unseren Partner*innen einen Beitrag zum Wohlergehen der Menschen in und aus der Ukraine leisten zu können. Dabei war und ist die pragmatische Unterstützung durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und die dortigen Verantwortlichen eine unverzichtbare Hilfe. So konnten nicht nur Lösungen für vertragsrechtliche Fragestellungen für Mitarbeitende mit EfhG-Vertrag gefunden werden, sondern auch kurzfristig die ZFD-Projektaktivitäten im Rahmen einer Antragsänderung angepasst werden.

Mit der weiteren Entwicklung des Krieges stellen sich für uns nun weitere Herausforderungen: Wann und unter welchen Voraussetzungen können wir die Rückkehr unserer Mitarbeitenden ermöglichen? Welche unserer Programmaktivitäten müssen wir anpassen? Ist es sinnvoll, das Programm zu regionalisieren und über die Grenzen der Ukraine hinaus zu denken und zu planen? Die dafür notwendigen Gespräche mit dem Team, Partner*innen vor Ort und den Verantwortlichen im BMZ benötigen Aufmerksamkeit und Ressourcen.

Die Arbeit der vergangenen Wochen zeigt eindrücklich, wie aus langfristig angelegter, personeller Zusammenarbeit, Resilienz in Krisenzeiten erwächst und Partnernetzwerke in kürzester Zeit z.B.  neue Aufgaben in der psychosozialen Begleitung von Multiplikator*innen aufbauen können, die die ukrainische Gesellschaft in ihrer existentiellen Bedrohung stützen. Diese Partnerschaften werden wir nach Kräften pflegen und weiter ausbauen.

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