LHÜ-Feature: Die Zukunft der Personaldienste in der Einen Welt - Teil 1

Jürgen Deile, Koordinator des Zivilen Friedensdienstes von Brot für die Welt in Kambodscha, beleuchtet in seinem Beitrag für den LHÜ-Info, warum die verstärkte Einbeziehung von Süd-Nord und Süd-Süd Austauschformaten ein notwendiger Bestandteil der Personaldienste der Zukunft ist.

Die gesellschaftlichen Verhältnisse in zahlreichen Ländern in der Welt werden von Regierungen geprägt, die vorrangig darauf abzielen, ihre eigene Macht gewaltsam zu festigen. Individuen, die nach Beteiligung streben, Kritik äußern oder Gruppen organisieren, werden verfolgt, inhaftiert und in extremen Fällen sogar getötet. Gesellschaftliches Engagement in Form zivilgesellschaftlicher Verantwortung wird nur toleriert, wenn es dazu beiträgt, die Herrschaft der Regierenden zu unterstützen; ansonsten wird es behindert oder untersagt.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welche Rolle internationale Personaldienste als Bildungs- oder Fach- und Entwicklungsdienste in diesen Ländern spielen können. Eine Rolle von Personaldiensten mit offensichtlich politischer Bedeutung ist es, die noch vorhandenen Freiräume für Personalvermittlung und -austausch geschickt zu nutzen. Solange Machthaber ein Interesse an internationalen Beziehungen haben und die Staatsgrenzen für die Ein- und Ausreise von Menschen offenhalten, eröffnet sich die Rolle für Fach-, Entwicklungs- und Freiwilligendienste als Plattformen für gegenseitigen Austausch, Verständnis, Lernen sowie zur Förderung der Widerstandsfähigkeit.

Die gravierendste Veränderung für die internationalen Personaldienste ergab sich zweifellos durch die Reisebeschränkungen infolge der COVID-Pandemie. Die Wiederaufnahme des Austauschs, persönlicher Begegnungen und interkulturellen Lernens sowie die Demonstration gegenseitiger Solidarität durch physische Präsenz sind die erklärten Ziele im Freiwilligenbereich weltweit, sei es im Rahmen von bildenden Lerndiensten oder professionellen Fach- und Entwicklungsdiensten. Dies schließt auch die Möglichkeit ein, vermehrt Freiwilligen aus dem Globalen Süden einen Dienst im Globalen Norden zu ermöglichen. Obwohl im Personaldienst bereits eine gewisse Süd-Süd- oder Süd-Nord-Ausrichtung existiert, wird dies immer noch in unzureichendem Maße umgesetzt.

Während der Süd-Nord- und Süd-Süd-Austausch von Studierenden und Fachleuten aus dem Süden in Bereichen wie Wissenschaft und Wirtschaft seit vielen Jahren möglich ist, fehlt es im zivilgesellschaftlichen Sektor noch an einem vergleichbaren Süd-Nord- oder Süd-Süd-Austausch. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat den Süd-Nord-Austausch in den Lerndienst Weltwärts integriert und unterstützt die Vermittlung von Friedensfachkräften aus dem Globalen Süden im Rahmen des Zivilen Friedensdienstes.

Im Weltwärts Programm nutzen viele Organisationen die Möglichkeit der Vermittlung von Fachkräften aus dem Globalen Süden in den Globalen Norden. Fast alle zivilgesellschaftlichen Träger des Zivilen Friedensdienstes integrieren die Vermittlung von Fachkräften aus dem Süden in ihre Programme. Eine bedauerliche Ausnahme ist   Brot für die Welt. Aber natürlich gibt es auch im evangelischen Bereich im Blick auf den Personaldienst entwicklungspolitisch aufgeschlossene Akteure, bei denen die Integration von Fachkräften aus dem Globalen Süden in ihre Personalvermittlungsprogramme selbstverständliche Praxis ist. Die enge Bindung evangelischer Missionswerke an den Personalaustausch lässt die evangelische Kirche diesbezüglich nicht ins entwicklungspolitische Aus geraten. Vor dem Hintergrund der Erfahrung mit der Praxis der Missionswerke als Träger im Lerndienst stellt sich sogar die Frage, ob der Fachdienst nicht auch besser im Missionswerksbereich angesiedelt ist, wo er auf eine zukunftsgewandte Praxis und ein kirchlich geprägtes Verständnis der Rolle von Personaldiensten stößt. Positive Beispiele für das evangelische Verständnis von entwicklungspolitischem Personaldienst findet sich im evangelischen Bereich auch außerhalb der Missionswerke, vor allem bei den traditionellen Friedenskirchen. In Südostasien spielen beispielsweise die Mennoniten in zahlreichen Ländern eine entscheidende Rolle im regionalen Austausch von Fachkräften und fördern seit vielen Jahrzehnten Freiwillige und Fachkräfte im Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit. Im Rahmen der Süd-Süd Programme bei den Mennoniten wird nicht nur der regionale Austausch von Fachkräften und deren Familien praktiziert, sondern die Personalvermittlungen sind auch interkontinental organisiert. So bietet die Vermittlung von Fachkräften aus Südostasien und Ostafrika einen spannenden Rahmen für langfristiges Lernen, intensive Begegnungen und die Stärkung der Akteure in den beteiligten Regionen beider Kontinente.

Das Freiwilligenprogramm der Mennoniten wird von regionalen Akteuren organisiert. Finanzielle Unterstützung erfolgt durch die internationalen Beziehungen aus dem Globalen Norden. Aber auch nicht international verankerte Akteure aus dem Globalen Süden nutzen die Möglichkeiten des Personalaustauschs und Freiwilligendienstes, doch die Beschaffung von Mitteln gestaltet sich für sie besonders schwierig. Dies gilt insbesondere in einem Kontext, in dem zivilgesellschaftliches Engagement nicht als gesellschaftlich notwendig angesehen und gefördert wird. 

Im Bereich von Bildungseinrichtungen zur Förderung von Friedensarbeit bedarf es ebenso einer Stärkung der im Globalen Süden verankerten Einrichtungen und einer Stärkung bei ihrer Vernetzung. Für viele NGO in Südostasien ist es wichtig, dass ihre Mitarbeitenden in Trainingseinrichtungen aus Hongkong, Davao oder Bangkok weitergebildet werden. Gerade Alumni dieser regionalen Trainingseinrichtungen haben großes Interesse an regionalen Arbeitserfahrungen in ihrem an Gerechtigkeit und Frieden orientierten Arbeitsfeld. Während die Zusammenarbeit von staatlichen Universitäten im Rahmen des Zivilen Friedensdienstes in der Region gefördert wird, steht die Förderung der Vernetzung und Zusammenarbeit der vor allem aus einem religiösen Hintergrund entstandenen Institute in der Region aus. Für Kirchen im Globalen Norden Gelegenheit, zu einer Stärkung einer christlich, muslimisch buddhistischen Zusammenarbeit in einer Region des globalen Südens beizutragen.  

Es wäre wünschenswert, würde sich das Augenmerk von AKLHÜ nicht nur darauf beziehen, wie Freiwillige und Fachkräfte aus dem Globalen Süden in die hiesigen Lern- und Fachdienste eingebunden werden, sondern auch darauf, wie Bildungseinrichtungen und Träger von diversen Austauschprogrammen im Globalen Süden in ihrer Arbeit international unterstützt werden können. Obwohl im Globalen Süden bereits ein Engagement für Fach- und Freiwilligendienste besteht, Trainingseinrichtungen für Friedensarbeit schon viele Jahre in der Praxis von oft gewaltvoll ausgetragenen Konflikten Erfahrung gesammelt haben, wird deren Arbeit im Globalen Norden kaum wahrgenommen und einbezogen.

Gerade der Personalaustausch innerhalb von Nichtregierungsorganisationen und kirchlichen Akteuren im Globalen Süden bietet eine Möglichkeit zur Stärkung der zivilgesellschaftlichen Widerstandsfähigkeit und zur Bekämpfung von Gewaltstrukturen- und wird in dieser Hinsicht leider auch zukünftig gefordert sein.

Zurück