Zivilgesellschaftliche Organisationen fordern Wandel im Tourismus

Orientierung an den Zielen der Agenda 2030

Mehr als 30 Vertreter von Zivilgesellschaft und Wissenschaft aus aller Welt fordern in einer gemeinsamen Deklaration eine grundlegende Trendwende. Dazu gehören eine verbindliche Orientierung des Tourismus an allen Zielen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und an internationalen Menschenrechtsstandards sowie eine stärkere Beteiligung der Menschen vor Ort. „Wir brauchen einen Perspektivwechsel im Tourismus. Der Tourismus orientiert sich momentan vor allem an den Interessen der Reisewirtschaft. Neben dem Wohlbefinden der Urlauber müssen die Bedürfnisse der Menschen in den Zielgebieten stärker beachtet werden. Für unsere Partnerorganisationen ist der Tourismus oft Entwicklungshoffnung und Armutsrisiko zugleich“, sagt Antje Monshausen, Tourismus-Expertin von Brot für die Welt.

Die Vereinten Nationen haben 2017 zum „Internationalen Jahr des Nachhaltigen Tourismus für Entwicklung“ ausgerufen. Tourismuswirtschaft und Entwicklungspolitik scheinen sich einig zu sein, dass mehr Tourismus automatisch zu nachhaltiger Entwicklung beiträgt. Dabei berufen sie sich auf eine Branchenstudie, nach der deutsche Reisende pro Jahr mehr als 13 Milliarden Euro in Entwicklungs- und Schwellenländern ausgeben. Dieselbe Studie weist aber auch nach, dass es keinen signifikanten statistischen Zusammenhang zwischen steigendem Tourismus und sinkender Armutsquote gibt, während sich die Einkommensungleichheit bei zunehmendem Tourismus langfristig sogar verstärkt. „Deswegen muss es darum gehen, Initiativen für nachhaltige Entwicklung zu fördern und nicht Tourismus per se. Der Fokus auf Wachstum kann für die Menschen vor Ort sogar gefährlich werden, denn nicht regulierter Tourismus neigt zum Verelendungswachstum. Die sozialen und ökologischen Kosten können höher sein als die wirtschaftlichen Impulse“, so Monshausen. Wenn Fischer oder Bäuerinnen für den Bau eines Hotels von ihrem Land vertrieben werden und ihre Lebensgrundlage verlieren, nütze es ihnen nicht, wenn das Hotel später nachhaltig betrieben werde.

Brot für die Welt fordert deshalb, kritische Stimmen der Lokalbevölkerung und der Zivilgesellschaft bei Entscheidungen zu berücksichtigen. „Nicht nur auf der weltgrößten Tourismusmesse bleiben Tourismuswirtschaft und Politik aber weitgehend unter sich. Auch in den Reiseländern und Urlaubsorten werden die Menschen vor vollendete Tatsachen gestellt und haben wenig Mitsprache“, so Monshausen.

Die Initiatoren der Deklaration „Transforming Tourism“, darunter etwa die Hälfte aus Entwicklungs- und Schwellenländern wie Kolumbien, der Dominikanischen Republik, Gambia, Indien, den Philippinen, Sri Lanka oder Kambodscha, berufen sich auf die Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung. „Tourismus braucht verbindliche soziale und ökologische Leitplanken, damit er dauerhaft den Menschen in den Zielländern nutzt und ihre Entwicklungsperspektiven stärkt“, fasst Antje Monshausen die Forderungen gegenüber Entwicklungspolitik und Tourismuswirtschaft zusammen.

Weitere Informationen

Mehr als 30 Vertreter von Zivilgesellschaft und Wissenschaft aus aller Welt haben bei einem Treffen vom 3.-6. März 2017 die Berlin-Deklaration „Transforming Tourism“ („Tourismuswende“) erarbeitet. Darin identifizieren sie konkrete Stellschrauben für einen Wandel im Tourismus.
Zu den zentralen Punkten gehören:

  • Frühzeitige und effektive Beteiligung der Menschen in den Zielländern bei Tourismusplanungen und während der touristischen Entwicklung. Die Beteiligung armer und verletzlicher Teile der Bevölkerung, sowie die Stärkung und der Schutz von Menschenrechtverteidigern erfordert besondere Aufmerksamkeit.
  • Soziale Sicherheit, existenzsichernde Löhne und Aufstiegschancen für lokale Arbeitskräfte, sowie Förderung eigener, lokaler Tourismusinitiativen.
  • Nachhaltige Produktions- und Konsummuster, durch die die Umwelt und das Klima geschützt und die Menschenrechte geachtet werden. Das gilt sowohl in den Zielländern, als auch in den Sendemärkten des Tourismus, wie zum Beispiel in Deutschland.
  • Eine Abkehr vom Wachstumsfetisch: Nicht mehr Tourismus führt zur nachhaltigen Entwicklung, sondern eine grundlegende Abkehr vom vorherrschenden, ausbeuterischen Tourismusmodell.

Die Deklaration wurde auf der ITB vorgestellt und soll in lokale und internationale Politikprozesse einfließen. Die Berlin-Deklaration ist auf der Internetseite www.transforming-tourism.org(link is external) zu finden. Eine deutschsprachige Übersetzung folgt in Kürze.

Das neue englisch-sprachige Online-Portal www.transforming-tourism.org(link is external)wird gemeinsam von Brot für die Welt und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen betrieben und kontinuierlich ausgebaut.

Quelle: TOURISM WATCH

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